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Analyse

Die Gestaltung digitaler Produkte und Dienstleistungen konzentriert sich oft auf Aspekte wie User Experience, Usability, Informationsarchitektur und User Interface Design, um die Nutzer bei der Zielerreichung bestmöglich zu unterstützen. In der Praxis dominieren jedoch formalästhetische Aspekte wie Farben, Formen und Typografie die Entwurfsdiskussionen, während die zeitlichen Bedürfnisse der Nutzer vernachlässigt werden.

Dimension: Zeit

Dieses Ungleichgewicht erklärt sich durch kognitive Psychologie, da visuelle Muster einfacher vorstellbar sind als die abstrakte Dimension der Zeit. Zudem ist Zeit als primäre kognitive Kategorie weniger greifbar und oft sekundär in der linguistischen und designbezogenen Betrachtung. Trotz der Vielzahl an zeitlich-kontextuellen Rahmenbedingungen und Limitierungen, die für die Gestaltung digitaler Interaktionen von Bedeutung sind, findet die Zeit in Designprozessen nur wenig Beachtung. Wirkt sich die Gestaltung der zeitlichen Dimension positiv auf digitale Interaktionen aus?

Methodik

Die Methodik zielt darauf ab, Muster von Zeitkontexten zu verstehen und Optimierungspotenziale zu identifizieren. Dies umfasst die Kontextanalyse, Kontext-Interviews, Kontext-Mapping, User Journeys und (Living-)Personas. Wichtige Fragen betreffen den Zeitpunkt der Nutzung, die Frequenz, Zeitintervalle, Rhythmus, Relevanz, Limitationen, Prozesse und Systeme sowie Verzögerungen. Durch die Beantwortung dieser Fragen lassen sich die zeitlichen Bedürfnisse und der Zeitkontext der Nutzer ermitteln, was die Grundlage für die Ableitung konkreter Gestaltungsprinzipien bildet.

Kernthesen:

Zeit-Kontext:

Informationen über den zeitlichen Kontext der Nutzer haben einen signifikanten Einfluss auf die Gestaltungslösung. Ein tieferes Verständnis der zeitlichen Bedürfnisse und Rahmenbedingungen ermöglicht es, Designs zu schaffen, die besser auf die Nutzer abgestimmt sind.

Zeit-Gestaltung:

Es existieren übergeordnete Gestaltungsprinzipien für die Zeit, die auf verschiedene Anwendungen übertragen werden können. Diese Prinzipien berücksichtigen die objektive und subjektive Wahrnehmung der Zeit und optimieren so die Nutzererfahrung.

Zeit-Impact:

Zeitoptimierte Gestaltung kann positive Wirkungen auf die Effizienz, Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanz digitaler Produkte und Dienstleistungen haben. Zudem können solche Ansätze zur Nachhaltigkeit und besseren Geschäftsmodellen beitragen.

Sieben Gestaltungsprinzipien der Zeit

… die in verschiedenen Projekten erfolgreich angewendet wurden:

1. Fast Track & Supporting Track

Unterschiedliche Zeitoptionen für verschiedene Nutzerbedürfnisse anbieten. Anfänger erhalten unterstützende, ausführliche Informationen, während erfahrene Nutzer eine schnellere, weniger detaillierte Option wählen können.

2. Sushi-Strategie

Komplexe Inhalte in kleinere, verdauliche Einheiten aufteilen. Diese Strategie bewährt sich besonders im eLearning, wo kurze Lerneinheiten besser in den Zeitplan der Nutzer passen.

3. Ockhams Rasiermesser

Den Umfang der Inhalte kürzen, um die Aussagekraft zu verdoppeln. Dies führt zu einer effizienteren Nutzung und höheren Benutzerfreundlichkeit.

4. Pyramidales Perzeptionsmodell

Inhalte zeitlich priorisiert strukturieren. Wichtige Informationen werden zuerst präsentiert, gefolgt von detaillierteren Inhalten, was die Entscheidungsfindung erleichtert.

5. Contextual-Fit

Das Zeitangebot an den Zeitkontext der Nutzer anpassen. Beispielsweise sollten Podcasts idealerweise die durchschnittliche Pendeldauer berücksichtigen.

6. Frequenz & Relevanz

Funktionen und Informationen nach ihrer Häufigkeit und Bedeutung anordnen. Dies reduziert die Zeit, die Nutzer für wiederkehrende Aufgaben benötigen.

7. Shoot-Out-Prinzip

Vorausgefüllte Eingabemasken nutzen, die Nutzer nur noch editieren müssen, anstatt sie komplett neu auszufüllen. Dies spart Zeit und erhöht die Effizienz.

Fazit

Die Berücksichtigung des Zeitkontextes und der zeitlichen Bedürfnisse der Nutzer ist essenziell für eine erfolgreiche und benutzerzentrierte Gestaltung digitaler Produkte und Dienstleistungen. Die konsequente Anwendung zeitlicher Prinzipien führt zu einer höheren Akzeptanz und Zufriedenheit bei den Nutzern und kann positiv auf Umwelt, Gesellschaft und Geschäftsmodelle wirken. Produkte, die nach zeitlichen Prinzipien gestaltet werden, bieten klare Informationsstrukturen und intuitive User Experiences. Die Gestaltung der Zeit eröffnet neue Perspektiven und ermöglicht disruptive Innovationen. Zukünftige Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Künstlichen Intelligenz, werden die Bedeutung klassischer visueller und formalästhetischer Prinzipien weiter reduzieren. Stattdessen wird die Anpassung an den persönlichen Zeitkontext der Nutzer entscheidend sein, um ihnen die passenden Informationen zur richtigen Zeit in angemessener Detailtiefe zu bieten.

Erschienen in

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Jahr

2024

Autoren

Philipp Schütz & Oliver Gerstheimer

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