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Publikation

Solar goes Social

Unser 8-Monats-Sprint zu einem strahlenden Community-Portal

Lesezeit: ca. 5′ 45″

Planung und Umsetzung

Ein internationales Portal-Projekt innerhalb von acht Monaten zu planen, umzusetzen und erfolgreich zu launchen, erfordert ein agiles und diszipliniertes Vorgehen. Viele Entwicklungsschritte müssen parallel erfolgen, Konzepte müssen schnell erzeugt, Lösungen in Teillösungen zerlegt und iterativ evaluiert und optimiert werden. Der Fokus liegt darauf, die Anforderungen möglichst „schmal“ (lean) zu halten, ohne die User Experience zu beeinträchtigen. Nicht alle Ideen werden umgesetzt, sondern nur die wichtigsten, um sicherzustellen, dass das Projekt erfolgreich ist. Die priorisierten Funktionen werden im Sinne der Lean-UX-Methode (Think – Make – Check) entwickelt. Es werden Lösungsansätze für gestellte Probleme erzeugt (Think), die in Simulationen oder Prototypen (Make) mit Experten und Endanwendern überprüft werden (Check). Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in die folgende Iteration oder die finale Lösung ein. Eine drastische Reduktion von Dokumentationen und Spezifikationen sowie kurze Kommunikationswege und schnelle Freigabeprozesse sind entscheidend.

Nachhaltigkeit meets UX-Design

„Green Energy“, das Wissen um regenerative Energiequellen, deren Nutzung und Entwicklung, sowie der bewusste Umgang damit, sind essenziell für die Zukunft. Der Rückgang von Subventionen für erneuerbare Energien hat zu einem erheblichen Rückgang im Photovoltaik-Markt und bei Investitionen in Neuanlagen geführt. Anbieter und Installateure müssen aus der etablierten B2B2C-Vermarktung heraustreten und neue Wertschöpfungsnetze entwickeln. Der direkte Weg zum Endkunden (B2C) erfordert genaue Planung sowie innovative Produkte und Services. Neues Denken im Bereich der Geschäftsmodelle und Markt-Positionierungen ist ebenso notwendig wie das Handwerk der User-Experience-Spezialisten, um am Markt erfolgreich zu sein. Ergebnis dieser Überlegungen ist die Umsetzung des ersten weltweiten Community-Portals für private Solaranlagenbesitzer. Im Rahmen eines agilen UX-Design-Prozesses und mit Unterstützung von Design-Thinking-Ansätzen wurden Endkundenbedürfnisse identifiziert und konsequent umgesetzt. Ziel war es, einer Solaranlage und ihrem Betreiber ein „Gesicht“ zu geben. Unterstützt wird der Nutzer durch einfache, selbsterklärende Funktionen und eine Plattform zum Austausch mit anderen Nutzern und Experten.
Dies ist wichtig, da bisherige Solar-Portale primär technisch versierte Nutzer und professionelle Betriebsführer ansprachen. Die Umsetzung des Portals in einem responsiven Framework und als Web-App bietet eine hohe Usability auf stationären und mobilen Endgeräten. Das zur Messe „Intersolar 2014“ gelaunchte Portal „Sunny Places“ verbindet einfaches Anlagen-Monitoring mit einem hohen „Joy of Use“ und den Vorteilen einer Online-Solar-Community.

Strategische Planung

Vor dem Hintergrund der Veränderungen im Subventionsmarkt für Solaranlagen und erneuerbare Energien wurde die Notwendigkeit erkannt, neue Services und Produkte zu entwickeln, um den Endanwender direkter anzusprechen und zu binden. Initialer Ausgangspunkt war eine Business Model Ideation zur strategischen Ideenfindung. Im Vorfeld wurde neben einem ausführlichen Benchmark von Portalen aus den Bereichen Solartechnologie, regenerative Energien, Social Media und Community-Portalen auch eine Analyse der „Best Practices“ internationaler Portale durchgeführt. Zur Anforderungsanalyse aus Benutzersicht wurden Zielgruppen identifiziert und eine umfangreiche Umfeldanalyse mit kontextuellen Fokusinterviews zu den Bereichen Anlagenmonitoring, Ertrags- und Eigenverbrauchsoptimierung in Verbindung mit Community-Funktionalitäten durchgeführt. In einem dritten Schritt wurden die Ergebnisse gemeinsam mit Experten aus der Portal-Entwicklung, Produktmanagement sowie Marketing & Sales in insgesamt 10 Fokusgruppen und weiteren 25 Leitfadeninterviews evaluiert, fusioniert und in Form einer strategischen Positionierung des Portals sowie eines kontextuellen Anforderungsmanagements dokumentiert.

Agile Entwicklung

Das Vorgehen in einem agilen Entwicklungsprozess unterscheidet sich grundlegend von klassischen Vorgehensweisen. Es setzt verstärkt auf Flexibilität und Anpassung, anstatt zu Beginn eines Projekts umfangreiche Planungen umzusetzen. Kerneigenschaften eines agilen Vorgehens sind eine adaptive Planung sowie kurzfristige Abstimmungen innerhalb des Projektteams. So wurden in der Planungsphase zu Beginn des Projekts lediglich zweiwöchige Sprint-Phasen verabredet, in denen die aktuellen Aktivitäten und Verantwortlichkeiten, Projektmeilensteine mit Status, geplante Aktivitäten für den nächsten Sprint und die Einschätzung aktueller Projektrisiken dokumentiert wurden.

Nutzerzentrierte Entwicklung und Usability

Die Konzeptphase war geprägt von einem iterativen Vorgehen sowie der Einbeziehung von Experten und potenziellen Nutzern. Auf Basis des Anforderungsmanagements wurden prototypische Personas definiert, auf deren Nutzer- und Nutzungsanforderungen Use Cases entwickelt wurden. Diese Personas waren z. B. Solaranlagenbesitzer, Solarteure & Betriebsführer, Investoren und Interessenten. In Expertenworkshops wurden diese Personas iteriert und verfeinert, und in einem „Cognitive Walkthrough“ wurden die Konzeption der Portalanwendung, die Klärung von Abhängigkeiten und die Optimierung von Prozessen ausgearbeitet. Gemeinsam mit den Stakeholdern im Unternehmen wurde eine Priorisierung und Migrationsplanung für drei Release-Stufen als Grundlage der Anforderungsspezifikation und der Ableitung von User Stories durchgeführt.

Informationsarchitektur und User Interface Design

Zur Entwicklung der Navigationsstruktur wurde das „Card Sorting“ verwendet, um die Strukturierung und Ableitung von Funktionseinheiten zu erleichtern. Eng verbunden mit der Navigationsstruktur ist die iterative Entwicklung von Struktur- und Systembäumen der Gesamtanwendung und einzelner komplexer Komponenten, wie z. B. der PV-Anlagenzuweisung oder -verwaltung. Parallel wurden die Informationsarchitektur in Form von Wireframes und das User Interface Design mit Variantenbildung entlang definierter Nutzungsszenarien iterativ entwickelt und zur Überprüfung der Anforderungen und der User Experience in User Testings herangezogen. Die Ergebnisse unterstützten die Erstellung von „Click Flows“ im Anwendungskontext. Die Umsetzung dieser „Click Flows“ als interaktiv nutzbarer „Click Dummy“ in HTML-Programmierung war die Grundlage der folgenden User Experience- und Prototypen-Tests.

Erschienen in

Mensch und Computer 2015 – Usability Professionals

Jahr

2015

Autoren

Oliver Gerstheimer, Oliver Endemann, Andreas Strusch